Der Sommereinbruch mitten im April war einfach klasse, oder? Klar, dass die Natur da richtig Gas gegeben hat!
So sehr, dass wir uns der Übersichtlichkeit halber einzelne Habitate, äh, Lebensräume separat vornehmen: den Bach, die Weide und den Teich.
Man könnte sogar die Stallgasse noch dazunehmen, denn hier sind „unsere“ Rauchschwalben gerade wieder eingezogen und renovieren energisch das alte Nest. Ein Loch in der Stalltür stellt sicher, dass sie jederzeit rein und raus können. Die rasanten Flieger stehen auf der Roten Liste gefährdeter Arten – hier zumindest sind sie zahlreich und munter!
Nun aber ab an den Brölbach, der die hintere Grenze der Hühnerweide darstellt: Besonders prächtig macht sich hier die Schachbrettblume (1), die vor etlichen Jahren beschlossen hat, aus unserem Garten aus- und am Bach einzuziehen. Toll, dass sich die Ausgefallene aus der Familie der Lilien an der Bröl so wohlfühlt, dass wir jedes Jahr neue Ableger entdecken. Eigentlich klar, ist sie doch eine Pflanze der Auenwälder und Flussauen und damit eine stark gefährdete Art. Im 17. Jahrhundert war sie als Zierpflanze in Europa schwer in Mode wegen ihrer sehenswerten Färbung – und trotz ihrer starken Giftigkeit. Daran stört sich das Lilienhähnchen (2) überhaupt nicht! Im Gegenteil: Der Käfer ernährt sich hauptsächlich von Liliengewächsen, und hier hat er eine ganze Schachbrettblume für sich allein – nun ja, wir wünschen widerstrebend guten Appetit.
Gleich neben der Schachbrettblume leuchten die sternförmigen Blüten des Scharbockskrauts (3) im Sonnenlicht! „Scharbock“ ist der alte Name für die Mangelerscheinung Skorbut, die Plage so mancher Schiffsmannschaft früherer Zeiten. Da die Blätter des Hahnenfußgewächses (wie passend!) sehr viel Vitamin C enthalten, nahmen die Seefahrer sie häufig zur Vorbeugung gegen die Krankheit mit an Bord, wo frisches Gemüse ansonsten arge Mangelware war. Dabei mussten sie allerdings aufpassen, dass sie die Blätter vor der Blüte ernteten, denn danach erzeugen sie beim Menschen Erbrechen und Durchfall.
Auch die Buschwindröschen (4) machen sich in großen Polstern am Bach breit: eine heimische Anemonenart, die um diese Jahreszeit nicht nur unser Brölufer, sondern halb Europa mit kleinen weißen Sternen überzieht.
Ein echter Hingucker ist auch die Schlüsselblume (5), die wahrscheinlich so heißt, weil die Anordnung ihrer Blüten am Stiel an einen Schlüssel erinnern. Auf jeden Fall ist der Name bereits seit dem 12. Jahrhundert belegt, und auch vorher spielte die Frühjahrsbotin schon eine wichtige Rolle als Schutz- und Fruchtbarkeitsmittel.
Die Gemeine Pestwurz (6) wächst in einem überschwemmten Bereich neben der Bröl und hat ihren Namen davon, dass man sie im Mittelalter als Mittel gegen die Pest einsetzte – mit recht eingeschränktem Erfolg, wie man leider sagen muss. Besser hilft sie angeblich bei Asthma, Migräne und Krämpfen, wobei man allerdings die wilde Form nicht selbst zu Tee oder ähnlichem verarbeiten sollte, da man in ihren Blättern mittlerweile krebserregende Substanzen nachgewiesen hat. Der kultivierten Form, die für medizinische Belange genutzt wird, sind diese Stoffe sinnvollerweise weggezüchtet worden. Unabhängig von ihr Tauglichkeit als Arznei stellt die Pestwurz einen wichtigen Schwemmlandbefestiger und eine Futterquelle für Insekten im Frühling dar.
Und jetzt werfen wir mal einen Blick auf die Hühnerweide, die inzwischen gelb gepunktet vom Löwenzahn ist. Da den aber nun wirklich jeder hat, lassen wir ihn links und rechts liegen.
Interessanter ist da schon das Wiesenschaumkraut (1), das – wie man sieht – Wildbienen anzieht, aber vor allem dem Aurorafalter (2) als Hauptnahrungsquelle dient. Der legt seine Eier auch direkt an den Stengel der Pflanze, genau wie die Schaumzikade, deren schaumartigen Nester möglicherweise zur Namensgebung des Wiesenschaumkrauts beigetragen haben. Hat man Wiesenschaumkraut im Garten, tut man den Zikaden einen großen Gefallen, wenn man nicht gerade während deren Brut mäht. Das Kraut an sich ist nicht selten oder bedroht – bei seinem bevorzugten Lebensraum, der Feuchtwiese, sieht das schon anders aus! Um darauf aufmerksam zu machen, hat das Wiesenschaumkraut auf der Roten Liste gefährdeter Arten Status 3.
Zwischen einem kleinen Steinhaufen hat sich der Gundermann (3) durchgezwengt. Das freut vor allem Hummeln, Bienen und Schmetterlinge, die im Frühjahr im wahrsten Sinne des Wortes darauf fliegen. Aber auch als Mensch kann man mit dem Gundermann so einiges anfangen: Erstens eignet er sich bestens als Gewürzpflanze (er schmeckt so ähnlich wie Petersilie), und auch als Heilmittel ist er spätestens seit dem Mittelalter nachgewiesen. Für etliche Säugetiere, vor allem Pferde, ist er giftig bis tödlich!
Die Rote Taubnessel (4), die ein Hinweis auf nährstoffreichen Boden ist und vermutlich mit der Römern in unsere Breiten kam, kann man hingegen ohne Bedenken als Zutat zum nächsten Salat nutzen: Sie beinhaltet Gerbstoffe und ätherische Öle, die unter anderem gut für Nieren sind. Allerdings sollte man das Pflänzchen erst etwas später im Jahr ernten, damit man auch hier Insekten nicht die wertvolle erste Nahrungsquelle des Jahres nimmt.
Auf einem Löwenzahn gleich nebenan hat ein Tagpfauenauge (5) platzgenommen, das an einem geschützten, feuchten Plätzchen überwintert haben muss, denn eine neue Generation schlüpft erst im Juni. Vielleicht stärkt es sich gerade für den nächsten Revierkampf? Jawohl, richtig gelesen: Revierkampf! Den tragen die Männchen untereinander um die besten Eiablageplätze aus und zwar in Form von „Geschicklichkeitstests“ im Fliegen. Mit zusammengeklappten Flügeln werden die Falter von Fressfeinden wie Vögeln zumeist übersehen. Kommt doch einmal einer zu nahe, dann bekommt er es mit den geöffneten Flügeln zu tun, aus denen ihn unvermittelt große Auge anstarren, die ihn häufig in die Flucht schlagen!
Und zum guten Schluss ist da noch die Feld-Hainsimse (6), die ein guter Hinweis darauf ist, dass wir hier eine Magerwiese haben.
Zu guter Letzt statten wir noch dem kleinen Teich neben dem Stall einen Besuch ab und entdecken dort direkt einen Flecken Echtes Mädesüß (3), das am liebsten an solch feuchten Standorten wächst. Der Name kommt entweder vom Met, der früher mit der Pflanze gesüßt wurde, oder vom honigartigen Geruch, den sie während des Mähens verströmt. Neben ihren Qualitäten als Essenszutat war das Mädesüß schon seit dem Mittelalter als Heilmittel bekannt: Zum einen soll es harn- und schweißtreibend wirken, zum anderen wurde lange aus seinen Blütenknospen Salicylaldehyd gewonnen – kurz gesagt: Aspirin. Schon bei den Kelten und deren Druiden spielte das Mädesüß eine wichtige Rolle, wahrscheinlich wegen der beschriebenen Eigenschaften. Salopp gesagt: Am Abend war das Mädesüß gut für den Met, am nächsten Morgen gegen dazugehörigen Schädel …
Aus diesen Betrachtungen werden wir durch eine Bewegung der Wasseroberfläche herausgerissen: Es wimmelt nur so von kleinen schwarzen Kaulquappen (2), der Grasfrosch hat hier – wie jedes Jahr – seine Kinderstube eingerichtet. Nicht mehr lang, dann verlassen die Kleinen den Teich als Frösche und suchen sich einen Lebensraum an Land; vielleicht treffen wir sie bald am Bach, auf der Weide oder in einer Hecke wieder. Allerdings müssen sie schon aufpassen, nicht als Zwischenmahlzeit im Schnabel des Milans, Bussards oder auch der Amsel zu landen.
Mal sehen, wer im Mai alles darauf wartet, entdeckt zu werden!